Wirtschaftlicher Totalschaden: Was ist das?
Eine Sekunde nicht aufgepasst, schon ist es passiert: ein schwerer Auffahrunfall, das Auto scheint vollständig zerstört. Wirtschaftlicher Totalschaden? Das kommt jetzt ganz darauf an. Ist das Fahrzeug so stark beschädigt, dass die veranschlagten Kosten für eine Reparatur höher sind als der Wiederbeschaffungswert, dann handelt es sich erstmal um einen „echten“ Totalschaden. Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden dagegen liegen die Reparaturkosten über der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert.
Ein Beispiel: Würde die Anschaffung eines gleichwertigen Autos 10.000 Euro kosten, der Restwert des Autos noch 5.000 Euro betragen, und lägen kalkulierte Reparaturkosten bei netto 6.000 Euro, dann wäre die Bedingung des wirtschaftlichen Totalschadens erfüllt. Schließlich würden hier die Kosten für die Wiederinstandsetzung mit 6.000 Euro überhalb der Differenz aus Wiederbeschaffungswert minus Restwert, in diesem Falle 5.000 Euro, liegen.
Zum Vergleich: Ein „normaler“ oder „echter“ Totalschaden liegt vor, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Also, wenn in unserem Rechenbeispiel die Reparaturkosten überhalb der 10.000 Euro des Wiederbeschaffungswertes liegen würden.
Der technische Totalschaden
Eine andere Art von Totalschaden ist übrigens der technische: Während bei einem Totalschaden oder auch einem wirtschaftlichen Totalschaden eine Reparatur noch möglich ist, kann bei einem technischen Totalschaden der ursprüngliche Zustand unter keinen Umständen wiederhergestellt werden. Der Wagen ist nicht mehr zu retten.
Diagnose eines wirtschaftlichen Totalschadens
Generell ist es so, dass nach einem Unfall ein Kfz-Gutachter den Unfallschaden an Ihrem Wagen überprüft und in einem Unfallgutachten die Reparaturkosten, den Wiederbeschaffungs- und den Restwert Ihres Fahrzeugs bewertet. Beim Restwert handelt es sich um den Wert Ihres Autos, den es im nicht reparierten Zustand besitzt. Kommt der Gutachter zu dem Fazit, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt, können Sie Ihren Unfallwagen verkaufen und sich die Differenz zum Wiederbeschaffungswert von der gegnerischen Versicherung auszahlen lassen – wenn der andere der Unfallverursacher ist. Das Gleiche gilt übrigens auch für den Fall, wenn ein normaler Totalschaden vorliegt.
Die 130-Prozent-Regel
Eine Sonderregelung im Schadensfall ist die 130-Prozent-Regel. Bei einem unverschuldeten Unfall wahrt sie das Integritätsinteresse des Betroffenen. Damit wird im Schadensrecht das Interesse des Geschädigten am Erhalt seines Vermögens bezeichnet. Die 130-Prozent-Regel kann sowohl bei einem Totalschaden als auch bei einem wirtschaftlichen Totalschaden in Betracht kommen – allerdings nur in einem Haftpflichtfall. Bei einem Kaskoschaden findet diese Sonderregel keine Anwendung. Hier gilt als Obergrenze für Reparaturkosten der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs.
Bei der 130-Prozent-Regel haben Sie als Geschädigter die Möglichkeit, Ihren Unfallwagen zu behalten, wenn die Kosten für die Instandsetzung maximal 30 Prozent über den Kosten für die Wiederbeschaffung liegen. Das heißt, Sie können bis zu 130 Prozent der Wiederbeschaffungskosten als Schadensersatz fordern, wenn Ihr Wagen für diesen Betrag wieder komplett flottgemacht werden kann. Liegen die Reparaturkosten über der 130%-Grenze, wird max. eine Summe in Höhe des Wiederbeschaffungswertes gezahlt.
Zum Beispiel: Liegt der Wert der Wiederbeschaffung für ein gleichwertiges Auto bei 7.000 Euro, könnten Sie maximal 9.100 Euro als Schadensersatz für die Reparatur fordern.
Auch sollten Sie wissen: Die 130%-Regel kommt nur zum Tragen, wenn das Fahrzeug auch tatsächlich repariert wird; eine fiktive Abrechnung, bei der sich der Geschädigte nur das Geld ausbezahlen lassen kann, kommt hier nicht in Betracht.
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie einen Schadensfall auf 130-Prozent-Basis abrechnen können:
- Die Reparaturkosten dürfen maximal 30 Prozent über den Wiederbeschaffungskosten liegen.
- Der Unfallwagen muss mindestens 6 Monate ab Unfall weiter angemeldet und versichert bleiben.
- Die Reparatur muss dem Sachverständigengutachten gemäß erfolgen.
- Der Nachweis der gutachtenkonformen Reparatur muss per Rechnung vorliegen.
- Eine Reparatur in Eigenregie muss durch einen Kfz-Sachverständigen als gutachtenkonform bestätigt werden.
- Unvollständige Reparaturen werden nicht mittels der 130-Prozent-Regel abgerechnet, sondern auf Basis der Berechnung des Totalschadens.
Im Haftpflichtfall haben Sie Anspruch auf einen Mietwagen!
Was zahlt die Versicherung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden?
Besonders ärgerlich läuft es für Sie, wenn Ihr fabrikneuer Flitzer zum Totalschaden wird. Denn eine gegnerische Haftpflicht zahlt nur den Zeitwert des Wagens, selten den Neuwert. Darunter verstehen Versicherer den Anschaffungswert eines gleichwertigen Fahrzeugs mit gleichem Alter am Schadenstag. Und da der Wertverlust eines Neuwagens bereits mit der Zulassung einsetzt, gibt es nur eine Neupreiserstattung, wenn das Auto höchstens einen Monat jung ist und höchstens 1.000 Kilometer gelaufen ist. Auch Ihre eigene Vollkasko zahlt den Neuwert bloß in dem Rahmen, in dem das vertraglich in Ihrer Kfz-Versicherung vereinbart wurde.
So setzt sich die Zahlung zusammen
Die Entschädigung setzt sich zusammen aus der Leistung der Versicherung plus dem vom Kfz-Gutachter ermittelten Wert des Unfallwagens.
Wiederbeschaffungswert | 7.000 Euro |
Reparaturkosten (130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes) | 9.100 Euro |
Restwert | 3.000 Euro |
Die Versicherung muss also maximal 130% des Wiederbeschaffungswertes (9.100 Euro) zahlen. Der vom Gutachter ermittelte Restwert (3.000 Euro) wird nicht vom Versicherer ausgezahlt.
Achtung: Im Kaskofall darf nur die Versicherung den Sachverständigen beauftragen. Dagegen dürfen Sie bei einem Haftpflichtschaden den Sachverständigen frei wählen.
Das zahlt die Versicherung noch
Ist das Auto nicht mehr fahrbereit oder verkehrssicher, haben Sie im Haftpflichtfall Anspruch auf einen Ersatzwagen oder auf einen Nutzungsausfall, bei einer Teilkasko oder Vollkasko jedoch nur, soweit das in Ihrer Kfz-Versicherung vereinbart wurde. Für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs werden in der Regel bis zu 14 Tage als ausreichend angesehen; für diesen Zeitraum wird Ihnen dann ein Mietwagen oder der Nutzungsausfall gezahlt. Außerdem können Sie in der Haftpflicht die Übernahme der angefallenen Ab- und Anmeldekosten verlangen.
Was ist eigentlich ein „unechter“ Totalschaden?
Wenn Sie mit Ihrem neuen Wagen in einen Unfall verwickelt werden, den Sie selbst nicht verschuldet haben, können Sie den Anschaffungspreis als Schadensersatz einfordern. Versicherungstechnisch kommt das der Auszahlung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden gleich und wird daher als „unechter“ Totalschaden bezeichnet.
Bei einem unechten Totalschaden liegt trotz eines hohen Unfallschadens kein wirtschaftlicher Totalschaden vor, weil die Reparatur geringere Kosten verursacht als die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Schrottwert. Das heißt, die Reparatur des Neuwagens wäre technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Gleichzeitig würde das Reparieren eines solchen Pkws einen unzumutbaren Wertverlust bedeuten. Denn ein verunfalltes Neufahrzeug trotz einer sach- und fachgerechten Autobewertung zu einem guten Preis zu verkaufen ist nicht gerade einfach.
Quelle: Allianz Autowelt